Dienstag, November 21, 2006

Amoklauf

Wieder gab es einen Amoklauf in einer deutschen Schule. Ein ehemaliger Schüler schoss in der Geschwister Scholl Realschule um sich und verletzte 37 Menschen. Ich möchte mich hier gar nicht lange darüber auslassen, wie tragisch so etwas ist (das kann man eh nicht in Worte fassen), sondern mich viel lieber ein wenig mit der Berichterstattung in den Medien befassen. Als Beispiel nehme ich den gerade von mir gesehenen Bericht im RTL-Nachtjournal zur Hand (zwar keine wirklich seriöse Quelle, aber doch repräsentativ für die deutschen Privatsender). Wie schnell man hier mit einem Sündenbock zur Hand war, ist schon rekordverdächtig gewesen.
Anstatt sich zu fragen, was in unserer Gesellschaft falsch läuft, kam man nach nicht einmal einer Minute über den Amoklauf an sich (bei ganzen 5 Minuten Hintergrundbericht) gleich mit Computerspielen und gewalttätigen Videos (die der Täter selber ins Netz gestellt hatte). Es wurden Schulkollegen zu diesem Thema interviewt, die erzählten, wie gerne der Täter das Computerspiel "Counterstrike" gespielt hat (einer hat sogar gesagt, er hat in dem Spiel die Schule nachgebaut). Und so werden flugs zwei Schuldige gefunden: Filme und Computerspiele. Aber ist das wirklich die richtige Antwort?
Natürlich nicht, aber so ist es halt einfacher. Wenn es nach solchen Medien ginge, dann ist jeder computerspielende Konsument von Horrorfilmen (wie ich) ein gefährlicher Irrer, der nur noch einen kleinen Schritt vom Massenmord entfernt ist. Dass das nicht so sein kann ist sonnenklar. Ich spiele ja auch mit Begeisterung Spiele wie Counterstrike gegen meinen Bruder und ich freue mich jedes Mal, wenn ich ihn dabei abknalle (was bei 50 Partien ungefähr einmal passiert. Bei den restlichen 49 bin ich tot bevor ich bis drei zählen kann). Ich schaue mir auch leidenschaftlich gerne Horror- und Actionfilme an und zwar vorzugsweise extrem blutige. Trotzdem habe ich noch nie den Drang verspürt, selbst zur Waffe zu greifen. Woran liegt das? Wenn es nach solchen Berichten geht, dann wäre ich doch ein 1A Kandidat für eine zünftige Schießerei an der Uni. Könnte es eventuell daran liegen, dass ich ein funktionierendes soziales Umfeld habe? Dass ich eine mich liebende Freundin, eine Familie und einen Freundes- und Bekanntenkreis habe, denen ich nicht egal bin und die mir nicht egal sind? Und ist der Hauptgrund der Tat dann nicht der, dass es beim Täter eben daran mangelte? Wenn ich von allen nur als Freak gesehen werde, dann werde ich auch irgendwann wirklich zum Freak wenn ich psychisch eh schon labil bin. Um so etwas zu verhindern müsste sich aber an unserer Gesellschaft etwas grundlegendes ändern, unsere Mitmenschen dürfen uns dann nämlich nicht mehr wurscht sein (wenn ich mal darüber nachdenke, dann kenne ich im Studentenwohnheim nicht mal die Namen von meinen Nachbarn, obwohl die nicht einmal fünf Meter weit weg wohnen). Natürlich wird es solche Wahnsinnstaten trotzdem immer wieder geben, aber es erhöhen sich die Chancen, dass jemand die Vorzeichen erkennt und die Rettungsleine zieht.
Natürlich kann man an dieser Stelle sagen, dass solche Spiele und Filme trotzdem einen Anreiz in diese Richtung geben können. das tut eine Werbung für Waschmittel schließlich auch und manche rennen dann ja wirklich los und kaufen die beworbene Marke weil sie wollen, dass ihre Wäsche weißer wird als weiß. Dabei wird nur gerne vergessen, dass solche Spiele/Filme keinesfalls die Absicht haben, die Konsumenten zum Nachmachen des Gezeigten zu bringen.
Mir ist schon klar, wieso hier (mal wieder) so schnell ein Sündenbock präsentiert wird: So ist es für die breite Masse viel bequemer. Der Feind ist klar erkennbar, man kann sich über die gewalttätigen Filme (die es schon immer gab) und Spiele aufregen, während man vor dem Fernseher sitzt und sich weiter die Chips in den Mund stopft. Sonst müsste man am Ende noch über sein eigenes Verhalten nachdenken und das will man unter allen Umständen vermeiden. Halleluja.

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